Ein zittern, wenn es Welle um Welle aufeinander schlägt. Jener Geruch, den ich aus den daraus resultierenden Luftströmen einatme. Die ineinander fallenden Zeichen, welche wie in einer Matrix an meinem Auge vorbeiwischen. Das leichte rauschen, welches mein Ohr durchdringt und tiefe Entspannung auslöst. Es legt sanft eine Decke über meine Gedanken. Fast hätte ich es vergessen. Das Buch.
Aber jetzt sitze ich da und die Seiten blättern vor meinem Gesicht auf und ab. Ein wundervolles Gefühl. Beinahe wage ich es, die erste Seite zu lesen. Allerdings muss die Wäsche noch fertig werden, also erstmal rein in die Trommel. Als ich mein Zimmer wieder betrete liegt es da. Auf meinem Bett. Es ist nackt. Der Einband liegt vorsichtig zusammengefaltet auf dem kleinen Hocker neben meinem Bett. Vorbereitet und bereit gelesen zu werden. Es handelt sich um eine gebundene Ausgabe, ein stattliches Exemplar. 800 Seiten, da ist Durchhaltevermögen angesagt.
Auf meinem Schreibtisch leuchtet ein Bildschirm auf.
»In 30 Min. eine Runde klettern?«
Ich schaue auf das Buch. Ich schaue auf mein Smartphone. Ich schaue auf die Uhr. Erst 17 Uhr. Der Abend ist noch jung. Ein wenig Sport hat noch niemanden umgebracht.
Nach drei Stunden komme ich verschwitzt zu Hause an. Ich werfe meine Tasche in mein Zimmer, gefolgt von einem flüchtigen Blick auf das Buch. Es liegt noch da. Und es ist immer noch nackt. Es will gelesen werden. Aber ein kurzer Atemzug und mir wird klar: Ich sollte vorher noch einen Gang ins Bad wagen.
15 Minuten später falle ich erschöpft aufs Bett. Mein Buch lege ich behutsam zur Seite. Es ist bereit, aber ich bin’s noch nicht. Zuerst noch ein Foto gepostet. Sport steigert das Selbstwertgefühl, allerdings nur, wenn andere davon erfahren. Hab ich irgendwo gelesen, glaube ich zumindest. Das Tablet lege ich zur Seite. Die anderen haben nun von meiner Leistung erfahren. Ich fühle mich gut.
Mein Blick wandert in kleinen Kurven über die Decke. War der Fleck schon immer da? Das Licht wirft ulkige Schatten an die Decke. Ein behagliches Gefühl macht sich breit, während das dämmrige Licht meine Synapsen befriedigt.
Wie gerne möchte ich jetzt zu meinem Buch greifen. Es liegt in Reichweite. Ich müsste mich kaum bewegen, um es zu nehmen. Aber der Weg wird mir versperrt, auf dem Buch liegt inzwischen mein Tablet. Eine Benachrichtigung ploppt auf. Ich werde aufgefordert mich in ein Spiel einzuloggen. Ich schaue auf die digitale Uhr und bemerke, dass ich langsam schlafen sollte. Was sind schon fünf Minuten. Das flackernde Displaylicht erhellt mein Gesicht hin und wieder. Meine Augen schicken ein Funkeln auf eine Reise durch mein dunkles Zimmer. Nach 10 Minuten erlischt dieses Funkeln.
Ich träume von meinem Buch. Morgen. Morgen werde ich es tun.